Gedanken zu Lilith

Gerade zum Weltfrauentag ein Göttinnenbeitrag. Und dann noch über Lilith - dieser Zufall geht mir gerade auf, als ich das Datum tippe. Womit ich schon direkt im Thema bin. Bekanntermaßen war Lilith die erste Frau Adams. Der Legende nach weigerte diese sich, beim Sex unten zu liegen, worauf hin Adam sich bei Gott beschwerte und eine fügsamere Gespielin haben wollte. So wurde Lilith zum Teufel gejagt - also zumindest aus dem Paradies vertrieben - und das domestizierte Weibchen Eva betrat die Bühne des biblischen Schöpfungsmythos.

Variationen dieser Geschichte finden sich vielen anderen Mythologien ebenfalls, die den Übergang der matriarchalen in die patriarchale Gesellschaft zeigen. Ein bisschen erinnert das an “Die Frauen von Stepford” (Sowohl das Original als auch das Remake mit Nicole Kidman ist sehenswert!)

In einer Quelle des Sohar (?) wird Lilith “die Verschleierte” genannt. Diese Bezeichnung hat sie mit der indischen Maya und der ägyptischen Isis gemein, was einen Hinweis auf ihre eigentliche Identität geben könnte: Lilith war eine Universal-Göttin, die für den normalsterblichen Menschen zu umfassend, zu “unfassbar” war, um sie begreifen zu können. Diese sollte nun der Idee der “neuen Männerreligion” weichen. Was den “harten Übergang” angeht, ist gerade die Variante, dass sie die erste Frau Adams gewesen sei, von überdeutlicher Symbolik. Er - der Mann - hat es also erst einmal “im Guten” versucht: Liebe Lilith, ich bin jetzt hier der Boss. Du kannst dich mir unterordnen oder du verschwindest. Vermutlich war Lilith ob der Dreistigkeit so dermaßen baff, dass sie freiwillig den Rückzug angetreten hat. Ich frage mich, wenn sie und ihre Göttinnenkolleginnen weltweit damals geahnt hätten, wohin das alles führt, ob sie anders reagiert hätte(n)?

Was kann uns Lilith nun aber heute bedeuten, lehren? Sicher sieht es im Jahr 2018 in Sachen Gleichberechtigung um einiges besser aus als vor zwanzig-dreißig Jahren. Will sagen, dass die Mädchen in einem ganz anderen Bewusstsein aufwachsen als meine Generation. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mutter heute ihrer Tochter mit dem Spruch kommt “Ein Mädchen tut sowas nicht!” Dass wir von einer echten Gleichstellung noch meilenweit entfernt sind, ist wiederum eine andere Sache (Stichwort Gehaltszahlung, mal so als ein Beispiel). So ist es die Aufgabe von Lilith heute, uns unser selbst bewusst zu werden.

Abwertungen ala “das verstehst du als Frau sowieso nicht” haben wir eher weniger zu erwarten, schließlich ist politische Korrektheit oberstes Gebot. Niedergemacht werden wir dennoch. Auf wesentlich subtilere Art. Oder wie kann es sein, dass in sogenannten “Frauenzeitschriften” nach wie vor folgende Themen vorherrschend sind:

  • in zwei Wochen zur Bikinifigur
  • die tollsten Frisuren/das neueste Make-up der Saison
  • wie sie ihn um den Finger wickelt

Das Thema Beruf wird eher am Rand erwähnt und zwar mit “zurück in den Job nach der Babypause” und/oder “die besten Outfits fürs Büro”. Na super!

Die Kernaussage, die hinter allem steht: Du bist nicht gut genug! Du bist nicht liebenswert! Wenn du nicht schlanker/hübscher/verführerischer wirst, wenn du nicht Produkt xy verwendest, hat ER dich nicht lieb und dann wirst du aus dem Paradies gejagt. Und irgendwie sind wir Frauen so dermaßen masochistisch veranlagt, dass diese Heftchen Woche für Woche gekauft werden. Die Umsätze sind nach wie vor gut, sonst gäbe es wohl kaum für fast jeden Buchstaben des Alphabets ein “Frauenmagazin”. Zuzüglich diverser Ableger für die junge und die alte Frau. Seltsamerweise bleiben die Themen die selben. Lediglich die Farbe des angesagtesten Lippenstifts variiert.

Ob es hierbei tatsächlich noch immer um die Emanzipation geht, muss jede Frau für sich entscheiden. Ich glaube, dass wir uns aus den Klauen der Konsumgesellschaft befreien müssen. Die Werbung interessiert sich für uns lediglich als Konsumentinnen. Der einzige Zweck unserer Existenz ist, dass wir kaufen sollen, damit die Wirtschaft angekurbelt wird.

Blöd ist nur, dass die Sache mit dem “Wachstum” längst nicht mehr funktionieren kann. Wir sind viel zu viele Menschen auf diesem kleinen Planeten. Da zusätzliche Begehrlichkeiten zu generieren, ist schon gemeingefährlich zu nennen. Stichworte wären hier z.B. geplante Obsoleszenz, Monsterautos, Technik, die schneller veraltet, als sie auf den Markt kommt und das alles nur, um den Umsatz zu steigern und eh schon knappe Ressourcen sinnlos zu verbraten. Doch eigentlich geht es in diesem Beitrag um Lilith.

Lilith steht vor allem für die Freiheit. Und wirklich Freiheit braucht erst einmal gar nichts. Ganz im Gegenteil. Wirkliche Freiheit gibt Raum für Fragen wie: “Wer bist du?” oder “Was willst du wirklich?” - dass das nicht das neueste Smartphone oder die Bluse in der neuen Farbe der Saison ist, muss wohl nicht weiter ausdiskutiert werden.

In welchem Umfeld, in welcher Welt will ich leben? Wie will ich leben? Und was zum Teufel hält mich davon ab, nicht jetzt sofort damit anzufangen? Mit diesen Fragen fordert Lilith uns heute heraus. Sie wendet sich damit übrigens an alle Menschen, gleich welchen Geschlechts. Sie ist zurück. Vermutlich hat sie sich kurz gesammelt und dann beschlossen, sich von diesem “Dreckskerl” ja wohl nicht maßregeln zu lassen. Schließlich ist sie die Göttin hier im Haus.

In ihren Dimensionen gehen die Uhren ein wenig anders, für Lilith sind maximal ein paar Wochen nach ihrem Rauswurf vergangen. Ich kann mir gut vorstellen, wie entsetzt sie darüber ist, was Adam und seine Saufkumpane in der kurzen Zeit angestellt haben. “Messie” und “Mietnomaden” wären da noch wohlwollende Formulierungen. Direkt rausreden können wir Mädels uns leider auch nicht. So wie Lilith zunächst den Rückzug angetreten hat, haben auch wir uns aus allem rausgehalten und bei der Verwüstung und Zerstörung stillschweigend zugesehen. So tragen wir also alle miteinander unseren Anteil an der Situation. Was gegenseitige Schuldzuweisungen hinfällig macht.

Lilith will uns beim Aufräumen helfen, will mit uns den Karren aus dem Dreck ziehen. Ich bin optimistisch genug zu glauben, dass wir - die Menschen - noch immer eine reelle Chance haben, das Ruder herumzureißen. Allerdings nur, wenn wir alle mit anpacken. Wenn alle ihren Beitrag leisten. Völlig egal, ob es sich dabei um Vermeidung von Verpackungsmüll handelt oder um die Gesetzesvorlage für die sofortige Abschaffung von Einwegbechern/Einweggeschirr. Jede und jeder macht das, was ihr/ihm möglich ist, um die Bedingungen für ein lebenswertes Umfeld zu schaffen. Auch für die nachfolgenden Generationen. Und selbstverständlich auch für die Artenvielfalt im Allgemeinen und unsere “Nutz"Tiere im Besonderen.

Über das Wissen, dass und wie alles ineinander greift und alles Leben voneinander abhängig ist, verfügen wir alle längst. Jetzt ist die Zeit zu handeln. Dieses Wissen umzusetzen. Das will uns Lilith deutlich machen. Bevor sie Kali zu Hilfe holt…